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Das Selbstexperiment.
Grenzgänge zwischen Wissenschaft und Kunst 1840-1920.
Das Projekt verfolgt die Funktion des Selbstexperiments innerhalb physiologischer und psychologischer aber auch künstlerischer Praktiken von der Mitte des 19. bis hin zu den Anvantgarden des 20. Jahrhunderts. Dabei soll zunächst zwischen zwei Formen des Selbstexperiments unterschieden werden: Experimente, die Funktionen wie das Gedächtnis oder die Emotionen wissenschaftlich fassbar machen wollen und solchen, die dem Körper Substanzen (Medikamente, Drogen) zuführen, um so seine Reaktionen auf spezifische Stoffe zu testen. In jedem Fall handelt es sich um die Erforschung von Vorgängen, deren Funktionsprinzipien offenbar nicht in ihrer quantitativen Messung aufgehen. Insofern im Selbstexperiment Subjekt und Objekt zusammenfallen, es also zu einer Inkorporation des Experimentalaufbaus durch den Forscher/Künstler kommt, findet hier eine Verschiebung vom Primat quantitativer Messbarkeit hin zu subjektiv beschreibbaren Qualitäten statt. Wird ein Selbstexperiment notwendig, so ist daher zugleich der Punkt angezeigt, an dem das Ideal mechanischer Objektivierung des Lebendigen aber auch die Einheit des Forschersubjekts radikal in Frage gestellt werden müssen, und der künstlerische Umgang mit dem eigenen Körper seinen Ausgang nehmen kann. Die Wissenschaft stößt hier an eine Grenze, deren konsequente Bewusstwerdung sie fundamental erschüttert, insofern Selbstexperimente immer einen Bedeutungsüberschuss produzieren, der direkt hinweist auf Räume, die es im Sinne der Aufrechterhaltung eines wissenschaftlichen »Betriebs« zu leugnen gilt. Daher stellt sich das Projekt die Aufgabe, solche blinden Flecken innerhalb unterschiedlicher Experimentalsysteme zu beleuchten und entlang der Grenzen von Wissenschaft einen Pfad zu verfolgen, auf dem sie – zunächst im künstlerisch-ästhetischen Diskurs - an die Oberfläche gespült werden. In der seit den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts für Medikamente vorgeschriebenen Reihenfolge ihrer Erprobung: chemische Bestimmung, Tierversuch, Selbstversuch, werden ihre physischen Wirkungen auf den Organismus getestet. Ausgehend von dieser Praxis lässt sich eine kulturtechnische Brücke schlagen zu Drogenexperimenten, anhand derer ein Ineinandergreifen von künstlerischem und wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse nachvollziehbar wird. So verspricht sich der Psychiater Moreau de Tours um 1840 von dem Experimentieren mit Drogen an Literaten wie Balzac, Baudelaire und Gautier aufgrund ihrer besonderen Sprachsensibilität eine möglichst genaue Beschreibung innerer Zustände und damit neue Erkenntnisse über die Wirkung von Rauschmitteln. »Über dies gibt es nur eine Art, die Rauschmittel zu studieren: In solchen Fällen erzielt die Beobachtung, sofern sie sich auf andere als uns selbst erstreckt, nur Eindrücke, aus denen wir durchaus nichts lernen [...] Die persönliche Erfahrung ist hier das Kriterium der Wahrheit.« Eine emphatische Aufforderung zum Selbstexperiment. Eine Verdichtung unterschiedlicher Formen des Selbstexperiments findet sich bei den Surrealisten, insofern es ihr Anspruch ist, sowohl künstlerische als auch wissenschaftliche Praktiken in einem neuen Lebenskonzept zu verbinden. So praktizieren sie die aus spiritistischen und psychophysischen Laboren importierte écriture automatique, notieren Assoziationsreihen und experimentieren mit dem Wahn (Dalí); das Selbst wird dabei im Sinne »kommunizierender Röhren« (Breton) mediatisiert. In diesem Konzept avanciert die Destabilisierung der Subjekt/Objekt-Trennung, wie sie wissenschaftliche Systeme verunsichert, dezidiert zum Programm. Zusammenfassend verfolgt mein Projekt das Ziel, anhand des Paradigmas des Selbstexperiments den Blick zu schärfen für kulturtechnische Transfers zwischen Wissenschaft und Kunst. An die konkrete Analyse selbstreflexiver Praktiken und ihrer technischen wie medialen Verfasstheit anschließend sollen Konstruktionen des eigenen Körpers, wie sie auch über den Experimentierraum hinaus diffundieren, in den Blick geraten. |
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