Experimentalisierung des Gartenbaus im Deutschland des 19. Jahrhunderts.
Peter Joseph Lenné und die Gärtnerlehranstalt in Wildpark/ Potsdam

Peter Joseph Lenné (1789-1866) gilt - neben Fürst Pückler-Muskau, Friedrich Ludwig Sckell und Johann Friedrich Eyserbeck - als der bedeutenste deutsche Landschaftsgärtner. Seine Park- und Gartenlandschaft, wie sie heute noch auf der "Insel Potsdam" zu ergehen ist, ist weltbekannt und seit 1990 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Gemessen an der gartenkünstlerischen Wirkung Lennés ist dessen Schaffen im Potsdamer und Berliner Raum nicht zu Unrecht in der Vergangenheit in zahlreichen Ausstellungen und den beigegebenen Katalogen einer umfangreichen Würdigung unterzogen worden.

Die Person Peter Joseph Lennés ist jedoch nicht nur aus seinem Werk heraus interessant, den gestalteten Gartenräumen, sondern ebenso aus seiner Epoche, in der sich ein für den Gartenbau und die Gartenkunst ausgeprägter Bruch vollzieht und sich ein objektivierbares und kodifizierbares Regelsystem zu etablieren beginnt.

Dieser Bruch läßt sich im beginnenden 19. Jahrhundert verorten und manifestiert sich in einer zunehmenden Theoretisierung und Verwissenschaftlichung, einer beginnenden Institutionalisierung und einer Technisierung der Kunst, Gärten anzulegen (und zu pflegen). Die sich dabei und dadurch herausbildende Epistemologie des Gartens äußert sich sowohl praktisch als auch zunehmend theoretisch in der durch und von Lenné initiierten Gründung der Gärtnerlehranstalt in Wildpark / Potsdam im Jahr 1823, der ersten derartigen Institution in Deutschland. Durchliefen angehende Gärtner bis zu diesem Zeitpunkt eine praktisch am Gartenmaterial orientierte Ausbildung an zumeist höfischen Gärten (wie Lenné selbst am Königlichen Hofgarten in Brühl), entstand mit der Lehranstalt eine Institution, innerhalb der auf zunehmend naturwissenschaftlicher Grundlage das zeitgenössische Wissen vom Garten in einem dreijährigen Kursus vermittelt wurde. Dieses Wissen ging, wie z.B. die Biographie des Lehranstaltschülers Johannes Hanstein aufzeigt, der wenig später in Bonn-Poppelsdorf als Pflanzenphysiologe tätig wurde, über das gärtnerisch Notwendige und Verlangte hinaus - d.h. aus einem Ort, der für die Praxis des Gärtnerberufes konzipiert war, wurde ein Ort, innerhalb dessen eine theoretische und experimentelle Fundierung des Lehrgebietes zuerst betrieben wurde. Die Lehre vom Garten verschob sich hin zu einer Gartenwissenschaft, welche den Wissensraum Garten als ein "Laboratorium der Pflanzenkunde" erschloß, wie Alexander Braun 1852 bemerkt, und zugleich aus diesem Raum ihr Wissen bezog. Anders fokussiert ergibt sich im Garten, und in der dazugehörigen institutionellen Ausbildung, eine markante Schnittstelle zwischen Natur (Material), Kunst (Ästhetik, Anordnung des Materials), Wissenschaft (Besonderheiten des Materials), Pädagogik (Vermittlung des Materials), Technik (Hantierung des Material) und Ökonomie (Kosten).
Diese Brechungen lassen sich auch an der zunehmenden Konzeptionalisierung der insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts veröffentlichten Gartenliteratur, deren Inhalt sich vom eher allgemein gehaltenen, "schöngeistigen" Ratgeber (z.B. Christian Cay Laurenz Hirschfelds Theorie der Gartenkunst [1785]) zum kodifizierenden Lehrbuch (z.B. die von Lenné im Umfeld der Lehranstalt herausgegebene Handbibliothek für Gärtner und Liebhaber der Gärtnerei [1837-1842] oder das von seinem Schüler Gustav Meyer publizierte Lehrbuch der schönen Gartenkunst [1859]) verschiebt, ablesen.

Ziel des umrissenen Dissertationsprojektes ist es, die Gärtnerlehranstalt innerhalb des naturwissenschaftlichen Feldes des 19. Jahrhunderts zu lokalisieren und die damit einhergehenden (oder provozierten) Brüche aufzuzeigen und herauszustellen - beides unter Betrachtung des Wissenschaftlers Peter Joseph Lenné.