ZwischenRäume 9: Figuren der IsolationArbeitsgespräch der drei Berliner Institutionen Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Zentrum für Literaturforschung in Zusammenarbeit mit der Emmy Noether-Forschungsgruppe "Kulturgeschichte des Menschenversuchs" der Universität Bonn Organisation und Leitung: Caroline Welsh (ZfL), Henning Schmidgen (MPIWG) und Cornelia Weber (HZK) Programm
Die Karriere der modernen Experimentalwissenschaften geht mit der Festlegung der Forschungstätigkeit auf einen spezifischen Ort einher, an dem Naturphänomene methodisch gesichert beobachtet, hervorgebracht und verzeichnet werden. Das Labor versammelt aber nicht nur die räumlichen und technischen Instrumentarien, die zur Durchführung eines Experiments unerläßlich sind. Mit der Isolation des Versuchsablaufs von kontingenten externen Einflüssen geht der Anspruch einher, die gewünschten Einflußnahmen und die Beobachtung ihrer Auswirkungen gezielt vornehmen und präzise kontrollieren zu können. Anders gesagt, das Wissen von der Natur entsteht in Abgrenzung von äußeren Kontexten und durch neuartige Verbindungen mit ihnen. Demnach sind es Laboreffekte, die an die Stelle der‚ unmittelbaren' Erfahrung von Natur das Phantasma ihrer vollständigen Kontrollierbarkeit treten lassen. Trotz dieser Anbindung an die Praxis der Isolation bricht das Postulat der Kontrolle allerdings mit der relativen Abgeschlossenheit des Labors: Insofern die Isolation des Laborraums dem Nachweis der wissenschaftlichen Validität von Versuchsergebnissen dient und somit als notwendige Bedingung für die öffentliche Akzeptanz der jeweiligen Forschungsarbeit gilt, impliziert ‚Kontrolle' immer auch den möglichen Zugang einer kontrollierenden Öffentlichkeit zum Labor. Das Labor ist, wie Steven Shapin und Simon Shaffer formulieren, "a public space with restricted access" - exkludierend und inkludierend zugleich. Die implizite Paradoxie der Kopplung von Isolation und Kontrolle ist in ihren wissenschafts- und kulturhistorischen Zusammenhängen noch zu entfalten. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die unterschiedlichen Praktiken und Techniken der experimentellen Isolierung, wie sie in jedem Labor anzutreffen sind (von der Vakuumpumpe bis zur Respirationskammer). Als nicht weniger wichtig sind zwei Grenzbereiche einzustufen. Zum einen wird nach den Schwierigkeiten zu fragen sein, die bei der Anwendung des Isolationspostulats auf Versuche am Menschen auftreten. Welche Techniken der Isolation sind dabei zu unterscheiden (z.B. Selbstexperimente, klinische Internierung, behavioristische Isolationstanks, Gefängnisstudien), welches Dispositiv der Kontrolle stützen sie und welche epistemologischen Potentiale führen sie mit sich? Zum anderen sind diejenigen Isolationsfiguren von Interesse, die vermeintlich jenseits der Zuständigkeit der Naturwissenschaften liegen, die fragliche Konstellation aber in ihrer anthropologiehistorischen Relevanz beleuchten. Das betrifft Modelle der Einsamkeit im Anschluß an pietistische Lebensentwürfe und rousseauistische Konzeptionen des Naturzustands ebenso wie beispielsweise die Semantik der Intimität im Bereich der Sexualität und die dazugehörigen Geständnispraktiken des 19. Jahrhunderts. Die ZwischenRäume 9 versuchen, die Technik- und Erkenntnisgeschichte von Figuren der Isolation zu erkunden. Der Blick geht dabei über die naturwissenschaftlichen Versuchsanordnungen hinaus, um der Spur und Prägekraft dieser Figuren auch in Philosophie, Literatur, Film und Populärkultur nachzugehen. |