ZwischenRäume 16 - Fokus: Unordnungen

17.07.2009 14:30-19:00 Uhr
IBZ »Harry Graf Kessler«
Belvederer Allee 21
99425 Weimar
Website des IBZ

Programm:

  • 14:30
    Ana Ofak und Simon Roloff
    Begrüßung
  • 14:15
    Jörn Münker (PhD-Net „Das Wissen der Literatur“, Humboldt- Universität zu Berlin)
    Die Kunst, dem Feind zu trotzen. Unordnung vs. Ordnung im Ausnahmezustand
  • 15:15
    Christina Pareigis (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin)
    Die archontische Macht der Archivarin.
    Zur Verzeichnung der Hinterlassenschaften von Susan Taubes
  • 16:15 Kaffeepause
  • 16:45
    Anna Häusler (GK „Mediale Historiographien“, Bauhaus Universität, Weimar)
    Zum Paradox des Schrift-Bildes am Beispiel Einar Schleefs
  • 17:45
    Nina Samuel (Technisches Bild, Helmholtz Zentrum für Kulturtechnik, Berlin)
    „Messy things on cheap machines“.
    Anordnungen von Unordnungen in der Chaostheorie

Programm und Abstracts als PDF

„Wenn ich »Stillgestanden!« schreie, dann nimmt jeder stramme Haltung an.“ Mit diesem Befehl sollte das Publikum am Center of 20th Century Studies in Milwaukee am 17.09.1977 weniger zur Ordnung als zur Unordnung gerufen werden. Der „absolute und bedingungslose Gehorsam“ gegenüber Befehlen, die eine (kriegs)strategische Anordnung von Menschen und Dingen im Sinn hatten, missbrauchte Heinz von Foerster in seinem Vortrag für ein epistemologisches Experiment. Im Kern sollte es die Einseitigkeit einer nur auf Signalprozessierung der Universalrechner bezogenen mathematischen Theorie der Kommunikation anzeigen. Heinz von Foerster forderte damit Claude E. Shannon heraus und konfrontierte seine Theorie mit dem Ungehorsam. Denn wo Befehle Ungehorsam provozieren, wo „ein junger Mann eine obszöne Geste macht und geht, anstatt stramme Haltung anzunehmen“, in diesen Ausnahmefällen der Kommunikation scheitert Shannons Theorie. Das Signal determiniert die Information nicht. Der Befehl vermag den Körper und die Waffe nicht zu steuern. Unordnung macht sich breit, die nur durch „Neues“ behoben werden kann, so von Foerster. „Renegaten, Häretiker“ und „unzuverlässige Kanäle“ wurden als Quellen dieses „Neuen“ angegeben. „Epistemologie“, so mahnte von Foerster schließlich an, „ist daher auch ein politisches Problem.“

Was kann man mit diesem Einbruch des Politischen in das Feld der Kommunikations- und der Erkenntnistheorie anfangen? Inwiefern sind Störung und Ungehorsam gegenüber gegebenen Ordnungen als epistemologische Koordinaten relevant? Diese Fragen und von Foersters epistemologisches Experiment als Denkanstoss nehmend, sollen Räume des Wissens, ihre Logistik, die in ihnen stattfindenden Praktiken und Usurpationen dem Versuch einer Reevaluation unterzogen werden. Während in der Vorlesungsreihe „Anordnungen“ davon ausgegangen wurde, dass vor der Ordnung von Wissenssystemen die Ebene ihrer Anordnungen liegt, die in Dispositiven und Aufschreibesystemen zur Formalisierung findet, sollen die Beitragenden der ZwischenRäume 16 ihr Augenmerk auf die möglichen Unordnungen dieser (idealen) Regefälle richten. Unaufgeräumte Tische, dysfunktionale Experimentalarchitekturen, unberechenbare Eigenwerte und strange attractors sind nur einige Beispiele von Akteuren und Dingen, die Prozesse der Wissenserlangung ins Stocken geraten lassen, in eine neue Richtung lenken, oder überhaupt erst in Gang setzen. Was hieße es vor diesem Hintergrund, die Epistemologie (politisch) für den Fall eines Ausnahmefalls zu rüsten?


Kontakt:

Henning Schmidgen
Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin
Boltzmannstr. 22
14195 Berlin
E-mail: schmidg [at] mpiwg-berlin.mpg.de
Tel: 030 - 22 667 -163



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