ZwischenRäume 12: Fixe Ideen - Zur Beharrlichkeit von Fiktionen

Arbeitsgespräch der vier Berliner Institutionen Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Zentrum für Literaturforschung und Freie Universität Berlin.

Organisation und Leitung:

Philipp von Hilgers (MPIWG), Ana Ofak (HZK), Jutta Müller-Tamm (FU), Uwe Wirth (ZfL)

26. Januar 2007, 14.00-18.00 Uhr
Hermann-von-Helmholtz Zentrum für Kulturtechnik
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Raum 3031

Programm:

  • 14:00 Begrüßung
  • 14:20-15:10 Martin Hense, Jutta Müller-Tamm/Freie Universität Berlin, Zentrum für Literaturforschung: Seelenwanderung. Zur Konjunktur eines Konzept im 18. Jahrhundert
    Moderation: Barbara Wildenhahn
  • 15.20-16.10 Erik Porath/Zentrum für Literaturforschung Berlin: Zwischen Fixierung und Ideenflucht. Assoziationismus, Übertragung und Wiederkehr in der Freudschen Psychoanalyse
    Moderation: Uwe Wirth
  • 16:10-16:50 Kaffeepause
  • 17.00-17.50 Philipp von Hilgers/Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte: Black box. Das Reale des "Schwarzgeräts" in Pynchons Weltkriegsepos und das Fiktive des Grundmodelles der Systemtheorie.
    Moderation: Ana Ofak

Außerordentliche Einfälle, die in wiederkehrenden Gedanken oder alles überragenden Vorstellungen einen Bedeutungszuwachs erfahren, werden als "fixe Ideen" bezeichnet. Die Figur der "fixen Idee" fand ihre Theoretisierung, aber auch kritische Umdeutung in der klinischen Psychologie des 19. Jahrhunderts. Eine verfestigte Wahnvorstellung, die in der Chronik einer psychischen Krankheit den zentraler Dreh- und Angelpunkt markiert, wurde als "fixe Idee" denotiert. Die Fixierung einer Idee, eines einmaligen mentalen Ereignisses, ist jedoch ein Widerspruch in sich. Denn gerade ihr wiederholtes Aufrufen führt zur stetigen Aktualisierung, Variation und Modifikation. Genau diese Widersprüchlichkeit greift Paul Valéry in seiner "Idée fixe" auf, um der scheinbaren Rigidität eine latente Beweglichkeit entgegenzustellen. In der Historiographie der Wissenschaftlichkeit nehmen "fixe Ideen" einen ambivalenten Status ein. Als möglicher Ausgangspunkt eines Gedankengebäudes tragen sie zu seiner Fundierung, Durchsetzungskraft oder sogar Glaubwürdigkeit bei. So können fiktive Denkfiguren und Modelle auf Grundlage einer zum Paradigma erhobenen "fixen Idee" Jahrzehnte lang mit konkurrierenden Theorien parieren, ohne mathematische Beweise oder experimentelle Gültigkeit an den Tag zu legen. Ihre Widerlegung oder der Bruch mit einem solch beharrlichen Paradigma führt meist zu einer nachträglichen Degradierung zum "Hirngespinnst", um so Objektivität und Unfehlbarkeit einer wissenschaftlichen Disziplin zu rehabilitieren. Oder aber die "fixe Idee" überdauert in Vergessenheit, um dann mithilfe neuerer Methoden und Experimentaltechniken ihre Umwendung in eine "waschechte" Theorie zu erfahren.
In der zweiten Sitzung der Wissenschaftsfiktionen werden die immanente Widersprüchlichkeit oder das Paradoxe der "fixen Ideen" untersucht, die sich in ihrer Beharrlichkeit, aber auch gleichzeitigen Unberechenbarkeit der Realisierung oder des Erfolgs zeigen.



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